Studie - Mannheimer Wissenschaftler plädiert dafür, dass Firmen Durchschnittsgehälter von Männern und Frauen offenlegen müssen

Zäher Kampf der Frauen gegen die Lohnlücke

Von 
Tatjana Junker
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© Getty Images/iStockphoto

Mannheim. Frauen verdienen in Deutschland immer noch weniger als Männer – darauf machen zum Weltfrauentag an diesem Dienstag wieder viele Organisationen aufmerksam. Der sogenannte Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, lag zuletzt bei 18 Prozent. Das zeigen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2020.

Die Gründe dafür sind vielfältig – einer sticht jedoch besonders hervor: „Der Hauptfaktor ist die Ungleichverteilung der Kinderbetreuung – 70 bis 80 Prozent der Lohnlücke lassen sich darauf zurückführen“, sagt Andreas Gulyas (kleines Bild). Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und hat sich mit Einkommensunterschieden zwischen den Geschlechtern beschäftigt.

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„Die größten Lohnlücken entstehen mit der Geburt des ersten Kindes: Das klassische Modell in Deutschland ist, dass die Frau den Großteil der Kinderbetreuung übernimmt, während sich der Mann weiter auf die Karriere fokussiert“, sagt Gulyas. Wenn Männer Vater würden, sehe man das an ihrem Einkommensprofil meistens überhaupt nicht. „Bei Frauen bricht das Einkommen dagegen mit dem ersten Kind massiv ein – und hat sich selbst zehn oder fünfzehn Jahre später oft noch nicht erholt.“ Die große Ungleichheit bei der Verteilung der Kinderbetreuung sei auch der Grund dafür, warum die Lohnlücke in Deutschland größer sei als im europäischen Durchschnitt.

Nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat lag sie hier im Jahr 2020 bei nur 13 Prozent. „Deutschland hat im europäischen Vergleich ein recht konservatives Familienbild: Die Kinderbetreuung ist sehr stark Aufgabe der Frau. Entsprechend hoch ist die Teilzeitquote bei Müttern“, sagt VWL-Professor Gulyas. „In den nördlichen Ländern ist die Aufteilung zwischen Männern und Frauen zum Beispiel viel gerechter, entsprechend ist dort auch die Lohnlücke kleiner.“

Diskriminierung in Unternehmen

Es gibt aber noch weitere Faktoren für den Gender Pay Gap: unter anderem, dass Berufe, in denen traditionell vor allem Frauen arbeiten, oft schlechter bezahlt werden: Pflege und Kindererziehung sind klassische Beispiele dafür. Zudem kommt es immer wieder vor, dass Unternehmen weiblichen Mitarbeitenden für denselben Job einfach weniger Geld geben als den männlichen Kollegen.

Um diesem Aspekt der Lohnlücke – Diskriminierung innerhalb von Firmen – beizukommen, gibt es in Deutschland seit 2017 das sogenannte Entgelttransparenzgesetz. Beschäftigte in Firmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden haben seither Anspruch darauf zu erfahren, was Kollegen des anderen Geschlechts in vergleichbarer Position verdienen. Vor allem Frauen sollen so herausfinden können, ob sie trotz gleicher Arbeit und Qualifikation weniger bekommen als Männer.

„Wir wissen aus der Forschung, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen zurückhaltender sind als Männer. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie schlechter darüber informiert sind, wie viel Firmen bereit sind zu zahlen, zum Beispiel, weil ihnen die entsprechenden Netzwerke fehlen“, erklärt Gulyas.

Doch hilft das Entgelttransparenzgesetz im Kampf gegen die Lohnlücke? „Soweit ich weiß, gibt es noch keine wissenschaftliche Evaluierung dazu, wie wirksam das Gesetz in Deutschland bisher ist“, sagt Gulyas. Bei der Einschätzung der Frage könne allerdings der Blick nach Österreich helfen. Dort gebe es schon seit 2011 ein vergleichbares Gesetz – das der Mannheimer Wissenschaftler mit einigen Kollegen in einer Studie untersucht hat.

Ernüchternde Bilanz zu Gesetz

In Österreich sieht die Vorgabe laut Gulyas folgendermaßen aus: „Firmen, die mehr als 150 Beschäftigte haben, müssen die Durchschnittsgehälter von Männern und Frauen für die verschiedenen Berufsgruppen offenlegen, und zwar so, dass diese Informationen im Betrieb für alle einsehbar sind: also zum Beispiel im Intranet, im Pausenraum oder beim Betriebsrat.“

Damit seien die Hürden, an diese Informationen zu kommen, für Frauen in Österreich niedriger als bei dem deutschen Gesetz. In Deutschland müssen Unternehmen die Daten erst bei einer konkreten Anfrage durch eine Mitarbeiterin vorlegen – zudem muss diese für ihre Anfrage erst einmal sechs männliche Kollegen mit einer gleichwertigen Beschäftigung finden.

Doch auch für die Wirksamkeit des österreichischen Gesetzes ist die Erkenntnis von Gulyas und seinen Kollegen ernüchternd: „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es überhaupt keinen Effekt auf die Lohnlücke hat.“ Problematisch aus Sicht der Wissenschaftler: „Die Informationen über die Durchschnittsgehälter müssen nur innerhalb der Firma offenliegen. Das heißt, ich muss schon bei dem Unternehmen sein, um an diese Daten zu kommen“, erklärt Gulyas.

Gleichzeitig habe sich gezeigt, dass Frauen insgesamt häufiger bei Unternehmen arbeiteten, die schlechter bezahlen als vergleichbare Firmen. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie zu wenige Informationen haben. „Unsere Idee ist deshalb, dass man Firmen dazu verpflichten sollte, die Durchschnittsgehälter ihrer männlichen und weiblichen Angestellten einmal im Jahr zu veröffentlichen – also nicht nur innerhalb des Betriebs, sondern auch nach außen.“ Gulyas zufolge hätte das zum einen den Effekt, dass die Lohnlücke in der Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit bekäme und breiter diskutiert werden würde. „Zum anderen könnten sich Frauen dann gezielt bei Firmen bewerben, die besser bezahlen“, so der Mannheimer Wissenschaftler.

Auszeichnung für Roche

Die Roche Diagnostics GmbH hat jetzt den „German Equal Pay Award“ des Bundesfamilienministeriums bekommen. Die Auszeichnung ging erstmalig an Unternehmen, die sich in besonderer Weise für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen einsetzen. Das teilte die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori (SPD) mit. Die Roche Diagnostics GmbH habe mit der Maßnahme „ElternPlus“ die achtköpfige Jury überzeugt. Diese fördert eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit und trägt so zum Abbau stereotyper Rollenbilder bei – so die Begründung für die Auszeichnung.

Die Idee zu der Maßnahme entstand am Mannheimer Standort des Schweizer Pharmakonzerns. Mit dem neuen Instrument werden Eltern bei Roche unterstützt, den Beruf und die Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen: Gehen beide mindestens zwölf Monate lang in sogenannte vollzeitnahe Teilzeit und arbeiten jeweils 28 bis 32 Stunden die Woche, wird das finanziell belohnt: bei tariflich Beschäftigten mit einmalig 10 000 Euro, bei außertariflich Beschäftigten mit 15 000 Euro.

Die Unterstützung können Mitarbeitende beantragen, deren Kinder nach dem 1. Januar 2020 geboren sind. Die Arbeitszeitaufteilung muss außerdem begonnen werden, bevor das Kind seinen vierten Geburtstag feiert. Um die Förderung zu bekommen, reicht es, wenn ein Elternteil bei Roche beschäftigt ist – egal ob Mutter oder Vater. Der jeweils andere Teil beantragt die vollzeitnahe Teilzeit dann bei dem eigenen Arbeitgeber. Damit sollen zum Beispiel mehr Väter ermutigt werden, in Teilzeit zu gehen.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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