Geld-Experte Matthias Meier von der Universität Mannheim warnt trotz der gegenwärtig hohen Inflation vor riskanten Anlagen wie Gold oder Bitcoins.
Herr Meier, die Teuerungsrate liegt derzeit bei 4,5 Prozent. Ist die hohe Inflation eher ein kurz- oder ein langfristiges Phänomen?
Matthias Meier: Ich habe keine Glaskugel in meinem Büro. Aber ich halte es für wahrscheinlich, dass die Inflationsrate bis Mitte oder Ende 2022 wieder auf einen Normalwert von rund zwei Prozent sinken wird.
Matthias Meier
Matthias Meier wurde am 23. November 1986 in Frechen (Nordrhein-Westfalen) geboren.
Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Köln, die Promotion erfolgte an der Universität Bonn.
Seit 2017 leitet der Ökonom in der Abteilung Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim den Lehrstuhl für Makroökonomie, Geld und Finanzen. Meier interessiert sich besonders für Konjunkturzyklen.
Stehen Sie mit dieser Ansicht in der Expertenwelt allein da?
Meier: Ich will mich nicht hinter den Kollegen verstecken. Aber die große Mehrheit sieht das genauso wie ich.
Warum wird die Inflationsrate wieder sinken?
Meier: Weil die Gesetze der Mathematik auch bei der Ermittlung der Inflationsrate eine Rolle spielen. Das Statistische Bundesamt ermittelt jeden Monat, wie sich die Preise im Vergleich zum Vorjahresmonat verändert haben. Diese Berechnungsmethode führt automatisch dazu, dass die Inflationsrate gegenwärtig so hoch ist, weil es 2020 wegen der Coronakrise Basiseffekte gibt, die extrem ausfallen.
Das müssen Sie erklären.
Meier: Nur ein Beispiel: 2020 sind die Energie- und Rohstoffpreise kräftig gesunken, weil die Wirtschaft wegen Corona weniger produzieren konnte. Und weil die Menschen 2020 zu Hause bleiben mussten, ist damals auch die Nachfrage gesunken. Der Urlaub fiel ja für die meisten flach. Und alles kann man auch nicht online kaufen. Außerdem wurde 2020 die Mehrwertsteuer gesenkt.
2021 steigt die Inflationsrate im Vergleich zu 2020 also allein schon deshalb, weil die Wirtschaft wieder brummt und viel Energie und Rohstoffe benötigt?
Meier: Ja. Es sind aber nicht nur die Energie- und Rohstoffkosten gestiegen. Auch der Konsum ist ein Preistreiber, weil die Leute mehr Geld ausgeben. Wenn die Statistiker im nächsten Jahr die Inflationsrate berechnen, wird sich das auswirken, weil die Vergleichsbasis dann nicht mehr 2020 sondern 2021 ist. Dieser Effekt sollte zu einer niedrigeren Inflationsrate führen.
Das heißt, wir können im nächsten Jahr von einer niedrigeren Inflation ausgehen?
Meier: Nicht unbedingt. Ein weiterer Grund für die aktuell hohe Inflation sind Materialmangel und die Lieferengpässe. Diese lösen schon jetzt in der Automobil- und Zuliefererindustrie Kurzarbeit aus. Sollte dies länger so bleiben, könnte das die Konjunktur abwürgen und weiterhin hohe Inflation bewirken. Außerdem ist es entscheidend, wie zum Beispiel die Gewerkschaften und Unternehmen auf die aktuell hohe Inflation reagieren.
Warum?
Meier: Wenn die Gewerkschaften zum Schluss kommen, dass die Preise weiter steigen werden, würde das unweigerlich bei Tarifverhandlungen zu hohen Lohnforderungen führen. Im Gegenzug würden die Unternehmen die Preise anheben. Daraus könnte eine Preis-Lohnspirale entstehen, welche die Inflation befeuert. Um die Inflation zu reduzieren, könnte die Europäische Zentralbank Anleihekäufe zurückfahren und die Zinsen erhöhen. Das ist aber kein ganz einfacher Schritt. Höhere Zinsen senken Konsum und Investitionen. Dadurch würde die Zahl der Arbeitslosen steigen. Außerdem würden sich die Zinskosten der Staaten erhöhen, und das im Kontext stark gestiegener Staatsverschuldung in der Corona-Krise.
Zurück zur Gegenwart: Die Inflationsrate ist hoch, die Zinsen sind extrem niedrig. Das ist doch ein Teufelskreis für die Bürger. Was sollen die unternehmen?
Meier: Sollte die Inflation entgegen der Erwartungen längerfristig hoch bleiben, könnte ein Kauf von Immobilien attraktiv sein. Die Zinsen für Baudarlehen sind ja noch immer niedrig und würden durch hohe Inflationsraten real weiter fallen.
Nicht jeder kann sich das leisten.
Meier: Das ist richtig. Auch Mieter können von hoher Inflation profitieren. Insbesondere dann wenn ihr Mietvertrag keine automatische Anpassung der Miete an die Inflationsrate vorsieht. Hohe Inflation bedeutet über kurz oder lang höhere Löhne, wodurch die Miete relativ günstiger wird. Der Verlierer wäre in dem Fall der Vermieter.
Wie kann der Verbraucher sein Geld sonst anlegen, wenn er der Inflation entgehen will?
Meier: Staatsanleihen sind eine Alternative, auch wenn die Zinsen niedrig sind. Hier würde ich aber inflationsindizierte Staatsanleihen empfehlen, die automatisch die Teuerung ausgleichen. Von den mittel- bis langfristigen Sparplänen der Banken würde ich gegenwärtig abraten, weil diese meistens ohne Inflationskomponente angeboten werden.
Und wie stehen Sie zum Gold als Geldanlage?
Meier: Das würde ich nur Anlegern empfehlen, die kein Problem damit hätten, wenn der Goldkurs um ein Drittel fallen würde. Denn Gold ist sehr volatil. Die Ausschläge nach oben und unten können sehr groß ausfallen und stehen nicht immer im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung und Inflation.
Sind Aktien eine bessere Anlage in wirtschaftlich unsicheren Zeiten?
Meier: Prinzipiell gibt es auch bei Aktien große Kursausschläge nach oben und unten. Aber über längere Zeiträume ist die Rendite von Aktienfonds sehr gut. Zur Wirkung von Inflation auf Aktienkurse: Falls Lieferengpässe der Grund für hohe Inflation sind, würde das mit fallenden Aktienkursen einhergehen. Falls aber die Inflation hoch ist wegen hoher Konsumnachfrage, sollte das mit hohen Aktienkursen einhergehen. Es kommt also darauf an, warum die Inflation hoch ist.
Und wie sieht es mit Kryptowährungen wie Bitcoins aus?
Meier: Sehr riskant. Es gibt da ja nicht nur Kursschwankungen. Sondern auch Diskussionen darüber, ob sie verboten werden oder Konkurrenz durch Digitalwährungen der Zentralbank bekommen. Langfristig könnte der Preis vieler Kryptowährungen auf Null fallen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-mannheimer-geldexperte-anlagen-in-gold-oder-kryptowaehrungen-sind-riskant-_arid,1876004.html