Braucht es eine Pflicht zum Homeoffice? – Pro und Contra
Seite 3: Wo möglich, ist verpflichtendes Homeoffice sinnvoll
von Harald Fadinger
Im Unterschied zur ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020, als die Infektionszahlen mit dem Lockdown rasch sanken, verharren sie jetzt in der zweiten Welle auf anhaltend hohem Niveau. Das liegt daran, dass die Menschen ihre privaten und vor allem beruflichen Kontakte weniger stark reduziert haben als im vergangenen Frühling. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung arbeiteten im Frühjahr 2020 etwa 27 Prozent der Arbeitnehmer gänzlich oder großteils von zuhause. Im November 2020 waren es dagegen nur 13 Prozent.
Die Regierung und die meisten Wirtschaftsverbände wehren sich gegen die Idee, dass die Unternehmen mehr zum Infektionsschutz beitragen sollten, etwa durch eine Homeoffice-Pflicht. Doch Homeoffice ist eine der effektivsten Maßnahmen, das Infektionsgeschehen einzudämmen. Das zeigt unsere Studie „My Home is My Castle: The Benefits of Working from Home During a Pandemic Crisis“: Bereits ein Prozentpunkt mehr Arbeitnehmer im Homeoffice kann die Infektionsrate um bis zu 8 Prozent verringern. Hätten wir eine so hohe Quote an Homeoffice wie im Frühjahr, lägen die Infektionen ungefähr bei der Hälfte von heute oder sogar niedriger.
Mehrzahl der Jobs zum Teil Homeoffice-fähig
Verpflichtendes Homeoffice für alle Bereiche, in denen es möglich ist, ist also sehr sinnvoll. Dabei geht es nicht um ein Herunterfahren der Wirtschaft, wie oft fälschlich behauptet wird. Natürlich ist Homeoffice nicht in allen Bereichen möglich: gerade in der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe, im Bereich von persönlichen Dienstleistungen mit Kundenkontakt, oder wenn Arbeitnehmer mit sensiblen Daten arbeiten, ist Homeoffice selbstverständlich keine Option.
Nach unserer Untersuchung sind aber bis zu 56 Prozent der Jobs in Deutschland zumindest teilweise Homeoffice-fähig. Bei Ausnahmen von der Homeoffice-Pflicht sollte die Beweislast jedoch auf Seite der Arbeitgeber liegen: Wollen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer vor Ort arbeiten lassen, müssen sie selbst nachweisen, dass Homeoffice im konkreten Fall nicht möglich ist.
Viele Arbeitgeber stehen dem Homeoffice kritisch gegenüber, zumeist zu Unrecht, denn die meisten Arbeitnehmer sind von zu Hause ähnlich produktiv wie im Büro, wie Studien zeigen, zumindest wenn nicht gleichzeitig Kinderbetreuung zu Hause anfällt. Unsere Studie zeigt auch auf, dass Unternehmen, die frühzeitig auf Homeoffice gesetzt haben, wesentlich weniger von der Corona-Krise betroffen waren und viel weniger Arbeitnehmer in Kurzarbeit schicken mussten. Meiner Meinung nach gibt es viele vernünftige Gründe, die für eine Homeoffice-Pflicht sprechen, wenn immer diese Arbeitsform möglich ist.
(mho)