Die Pandemie ist längst nicht ausgestanden, aber die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen zeichnen sich immer konkreter ab. Das zeige sich mit Blick auf geschlossene Schulen und Kitas, wie die Ökonomin Michèle Tertilt von der Universität Mannheim sagt. „Die makroökonomischen Kosten sind gewaltig. Das ist bisher viel zu wenig diskutiert worden“, mahnt die Professorin. Dabei hat sie einerseits die wirtschaftlichen Verluste der Gegenwart im Blick. Andererseits, so warnt Tertilt, könnte das Bildungsniveau der Schüler aufgrund eines langanhaltenden Unterrichtsausfalls leiden. Das würde die Wirtschaftskraft der späteren Erwachsenen, aber auch die Ökonomie des Landes schwächen. Dass Schulen nur zögerlich öffnen, gleichzeitig aber etwa Schlachthöfe regulär arbeiteten, sei ein Widerspruch. „Wichtiger wäre, Schulen und Kitas wieder zu öffnen, damit Eltern wieder arbeiten können“, fordert die Ökonomin, die gemeinsam mit Forschern der Unis in Bonn und Frankfurt die Folgen stark eingeschränkter Betreuungsangebote unter die Lupe genommen hat.
Tertilt, die 2019 mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet wurde, befürwortet die Öffnung von Schulen und Kitas, wie dies etwa in Sachsen und in Hessen geplant ist. Sollten sich Schüler, wie im niedersächsischen Göttingen, infizieren, müsse reagiert werden. Gebe es keine höheren Infektionszahlen, sollten Bildungs- und Betreuungseinrichtungen öffnen. Lehrerverbände und Gewerkschaften sehen das kritisch und pochen auf Hygienestandards. Kritiker halten es indes für praxisfern, dass etwa Kinder Abstandsregeln einhalten. In der Studie werden insbesondere gegenwärtige wirtschaftliche Kosten aufgrund der Schließungen von Schulen und Kindergärten thematisiert. Demnach hat jeder vierte Erwerbstätige in Deutschland Kinder im Alter von bis zu bis 14 Jahren.
„Das entspricht den rund zehn Millionen Beschäftigten des verarbeitenden Gewerbes und der Bauindustrie in Deutschland“, heißt es. Berücksichtige man, dass ältere Geschwister oder ein nicht arbeitendes Elternteil die Betreuung übernehmen können, seien noch 20 Prozent der Erwerbstätigen betroffen, könnten daher nicht in vollem Umfang arbeiten, heißt es in der Studie.
Je länger der Zustand anhalte, desto stärker wirke er sich negativ auf das Bruttosozialprodukt aus, warnt Tertilt. Sie und ihre Kollegen gehen davon aus, dass Arbeitgebern aktuell bis zu elf Prozent der Erwerbstätigen fehlen, die normalerweise am Arbeitsplatz wären. Das sei ein Problem, zumal viele Unternehmen aktuell wieder loslegen.
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