Mit 130 Milliarden Euro gegen die Corona-Krise

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be/dpa/was
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Die Pandemie hat die deutsche Volkswirtschaft hart getroffen. Mit 130 Milliarden Euro will die große Koalition jetzt die Konjunktur wieder ankurbeln. Das historische Programm stößt überwiegend auf Lob – aber auch auf Kritik in den Details.

Berlin/Rhein-Neckar. Das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket der großen Koalition lässt Wirtschaft und Experten auf eine rasche Erholung nach der Corona-Krise hoffen. Nachdem Union und SPD sich in Marathon-Verhandlungen unter anderem auf eine Absenkung der Mehrwertsteuer, einen Familienbonus und Entlastung bei den Strompreisen geeinigt hatten, überwogen am Donnerstag die positiven Reaktionen. Die 130 Milliarden Euro entsprechen in etwa dem Wert, den eine Volkswirtschaft wie Ungarn im ganzen Jahr 2018 an Waren und Dienstleistungen produziert hat.

Knapp 21 Stunden an zwei Tagen hatten die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt um Details gerungen – und überraschten am späten Mittwochabend vor allem damit, dass die Mehrwertsteuer von Juli bis Dezember 16 statt 19 Prozent betragen soll. Der reduzierte Satz soll von 7 auf 5 Prozent sinken. CSU-Chef Markus Söder hält es für denkbar, den Steuerrabatt zu verlängern. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sprachen sich in der ARD beziehungsweise dem „Handelsblatt“ gegen eine Verlängerung aus.

Ziel der historisch großen Staatsausgaben ist es, der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen und die Bürger zum Geldausgeben anzuregen. „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen“, sagte Scholz.

Besonders viel Lob kam aus der Wirtschaft und von Ökonomen. Der Industrieverband BDI erklärte, die Koalition sende ein „starkes Signal an Bürger und Unternehmen“, das Paket werde „die Rezession deutlich abmildern“. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte, die Beschlüsse seien ein „Beitrag für einen raschen Ausstieg aus der Krise“, der Handwerksverband ZDH nannte das Paket eine „bemerkenswerte Antwort auf eine beispiellose Krise“. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, Manfred Schnabel, sagte: „Dass die Bundesregierung mit ihrem Maßnahmenpaket die Wirtschaftskraft Deutschlands entfesseln will, ist in der aktuellen Lage der richtige Tenor.“ Der Beschluss der großen Koalition komme zur rechten Zeit.

„Kinderbonus bringt nicht viel“

Der Würzburger Ökonom Peter Bofinger hat Kritik an der von der großen Koalition beschlossenen Senkung der Mehrwertsteuer geübt. „Ich hätte dieses Instrument gezielter eingesetzt und die Bereiche entlastet, die besonders hart getroffen wurden. Die Supermärkte und Online-Händler sind ja ohnehin schon die Gewinner der Krise. Muss ich die alle zusätzlich belohnen? Da habe ich große Zweifel“, sagte er dieser Redaktion.

Die Spitzen von Union und SPD einigten sich auch auf einen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll. Er solle „aller Wahrscheinlichkeit nach“ in drei Raten von je 100 Euro überwiesen werden, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Die Mannheimer Ökonomin Michèle Tertilt bezeichnet den Bonus als „schöne Entschädigung für Familien“, die in den vergangenen Monaten viel geleistet hätten. „Aber er bringt nicht viel“, kritisiert sie. „Viel wichtiger wäre, dass Schulen und Kitas wieder im Regelbetrieb öffnen“, so die Professorin der Universität Mannheim. Dann könnten viele Eltern, die wegen der Kinderbetreuung zurückstecken mussten, wieder mehr arbeiten. Wer mehr verdiene, könne mehr Geld ausgeben und zahle höhere Steuern. Außerdem vermisst sie Investitionen im Bildungsbereich, um den Personalbedarf in der Corona-Krise etwa für einen Schichtbetrieb an den Schulen zu finanzieren.

Kommunen begrüßen Beschluss

Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliardenhilfen von Bund und Ländern, um Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen für 2020 und 2021 auszugleichen. Städte, Gemeinden und Landkreise begrüßten die Beschlüsse insgesamt, auch wenn die von der SPD geforderte Übernahme von Altschulden es nicht in den Kompromiss geschafft hat.

Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) – gleichzeitig auch Präsident des baden-württembergischen Städtetages – betonte: „Mit diesem Paket werden einige, teils langjährige Forderungen der Kommunen jetzt erfüllt, so dass die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise Chancen für dauerhafte Veränderungen schaffen.“ Aus Mannheimer Sicht sei es besonders zu begrüßen, dass die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger auf 75 Prozent gesteigert werde. Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner sagte, dass besonders der Ausgleich für wegbrechende Gewerbesteuern eine echte Entlastung bedeute. 

Wichtige Maßnahmen

  • Familien erhalten pro Kind einmalig 300 Euro.
  • Vom 1. Juli bis zum 31. Dezember wird der Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt.
  • Kaufprämien für den Kauf klima- und umweltfreundlicher Elektrofahrzeuge werden verdoppelt.
  • Höhere Steuern für Autos mit hohen Abgaswerten.
  • Milliardeninvestitionen in Krankenhäuser.
  • Für Kunst und Kultur soll es eine Milliarde Euro Hilfen geben. 

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