Mannheim. Es klingt in erster Linie vielversprechend: das Homeoffice. Wer von daheim aus arbeitet, ist flexibler. Eltern können dadurch ihre Arbeitsstunden erhöhen, denn Beruf und Familie werden besser vereinbar. Das gilt allerdings nur, wenn für sie gleichzeitig nicht mehr Haushalts- und Erziehungsarbeit anfällt. In der Corona-Krise ist laut den Ergebnissen der aktuellen Kurzexpertise des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) genau das jedoch der Fall.
Seit Monaten sind Kitas und Schulen geschlossen. Erst bis Ende Juli sollen sie in Baden-Württemberg wieder in den Regelbetrieb übergehen. In der Zwischenzeit fallen viele Familien in traditionelle Rollenbilder zurück. Besonders, wenn der Mann derzeit nicht im Homeoffice arbeiten kann. Nur in etwa 30 Prozent der Haushalte in Deutschland – so eine zentrale Aussage der ZEW-Studie – sind Väter beruflich flexibler als Mütter. Die Mehrarbeit während des Lockdowns leisten größtenteils Frauen.
Schon vor der Pandemie war die Aufgabenverteilung in den Familien mit Kindern unter 13 Jahren ungleich. „Die Verbesserung der Kinderbetreuung in den vergangenen Jahren schuf für Mütter Freiräume, um häufiger und länger arbeiten zu können. An ihrer Verantwortung für den Haushalt hat dies allerdings nichts geändert“, sagt Melanie Arntz, stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“.
Selbst bei Doppelverdienerpaaren wandten – so die Expertise – Mütter etwa dreimal so viel Zeit für die Kindererziehung und doppelt so viel Zeit für die Hausarbeit auf wie Väter. Demnach sei davon auszugehen, dass auch in Haushalten, in denen die berufliche Flexibilität beider Elternteile vergleichbar sei, Mütter die Kinderbetreuung übernehmen würden, so Arntz.
„Frauen-Berufe“ gefährdet
Laut einer bereits im April veröffentlichten Studie von vier Wissenschaftlern der Universität Mannheim – darunter die Mannheimer Ökonomin Michèle Tertilt – wird die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zudem durch einen weiteren Faktor verstärkt: Sektoren wie Gesundheit, Gastronomie und Reisebranche, in denen viele Frauen beschäftigt sind, sind besonders von der Corona-Pandemie betroffen, so die Studienergebnisse.
Demnach könnten mehr Frauen ihren Arbeitsplatz verlieren als Männer. Gleichzeitig arbeiten nach Angaben des ZEW aber auch mehr Mütter in systemrelevanten Berufen als Väter. Wenn sich hier dann die Männer um die Betreuung ihrer Kinder kümmern, könnte das „in der Rollenverteilung Normen ändern“, sagt auch Ökonomin Tertilt. Allerdings entspreche der Anteil der Haushalte in Deutschland, in denen Männer beruflich flexibler seien, höchstens einem Drittel, so Arntz.
Ob das traditionelle Ideal des männlichen Hauptverdieners zurückkehre, hänge stark davon ab, wie die zusätzlichen Betreuungsaufgaben im Homeoffice zwischen beiden Elternteilen verteilt würden, kommentiert Arntz die jüngsten Ergebnisse. „Wenn Väter jetzt mehr Haushaltsaufgaben übernehmen, können Mütter davon längerfristig profitieren.“
Denn: In erster Linie sei die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten, auch eine Chance, Arbeitszeit aufzustocken. „Wenn Homeoffice besser verfügbar ist, führt das dazu, dass insbesondere Mütter mehr arbeiten“, so Arntz. Knapp zwölf Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiteten 2018 laut ZEW-Kurzexpertise im Homeoffice. Im April dieses Jahres waren es mehr als doppelt so viele. 26 Prozent arbeiteten sogar nur von daheim aus.
Wandel in der Arbeitswelt
Die Ergebnisse der Corona-Studie der Universität Mannheim zeigen allerdings, dass diese Zahl mit den Lockerungen der Corona-Verordnungen auch deutlich wieder zurückging. Demnach gaben in dieser Woche nur noch rund sieben Prozent der täglich 500 Befragten an, ausschließlich im Homeoffice und im bisherigen Umfang zu arbeiten.
Trotzdem habe die Corona-Pandemie – so heißt es in der Expertise – zu einem „massiven Wandel der Arbeitswelt“ geführt. „Durch die Krise ist Homeoffice üblicher geworden. Das wird langfristig dazu führen, dass es auch seitens der Arbeitgeber positiver beurteilt wird und häufiger verfügbar ist“, sagt die stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“.
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