Uni Mannheim

Warum die Corona-Krise vor allem Frauen zurückwirft - aber auch Chancen bringt

Von 
Bettina Eschbacher
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Viele Frauen arbeiten in systemrelevanten Berufen - und sind daher unverzichtbar. (Symbolbild) © AOK

Mannheim. Die aktuelle Krise verschärft die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt – kurzfristig. Auf lange Sicht könnte es jedoch einen kulturellen Wandel geben, von dem Frauen profitieren. Das ist das Ergebnis einer Studie um die  Mannheimer Ökonomin Michèle Tertilt: Die Studie beleuchtet laut Mittelung der Universität Mannheim, wie sich die Covid-19-Pandemie von den vergangenen Wirtschaftskrisen unterscheidet. Und warum sie sich vor allem auf die Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen negativ auswirkt.
Weltweit sind derzeit mehr als 1,5 Milliarden Kinder – das sind über 90 Prozent aller Schülerinnen und Schüler – von Schulschließungen betroffen. Die Forscher beziehen sich dabei auf die Zahlen der Unesco. Genau dieser Zustand habe große Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Der Studie zufolge werden arbeitende Frauen im Laufe der Krise mit zusätzlichen Aufgaben konfrontiert und ihre Belastung steigt. Das liegt den Forscherin zufolge vor allem daran, dass sie sich zum großen Teil um die Kinder kümmern und die ausbleibende Schulbetreuung selbst kompensieren. Ihrer regulären Arbeit nachzugehen werde daher erschwert: Sie sind weniger flexibel und müssen ihre Arbeitszeiten den Betreuungszeiten zuhause häufig anpassen. Besonders schlimm treffe es die alleinerziehenden Mütter. 

Arbeitsplätze von Frauen stärker von Krise betroffen 
Zum anderen sind laut Studie die Arbeitsplätze vieler Frauen stärker von der Krise betroffen, als es bei Männern der Fall ist. Das unterscheidet auch den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung von früheren Rezessionen. In der Finanzkrise vor zehn Jahren beispielsweise verloren viel mehr Männer als Frauen ihren Arbeitsplatz, weil die am stärksten betroffenen Bereiche von Männern dominiert waren. Dazu gehörten beispielsweise die Produktion und das Bauwesen. „Normale Krisen sind für Männer schlimmer als für Frauen“, sagt Tertilt. Doch diesmal sind Sektoren wie Gastronomie und die Reisebranche betroffen, in denen traditionell viele Frauen beschäftigt sind. Voraussichtlich werden also viel mehr Frauen als Männer ihre Arbeitsplätze verlieren, so die Autorinnen und Autoren der Studie. „Frauen trifft die aktuelle Krise wesentlich schlimmer als Männer“, fasst Tertilt zusammen. 
Auf lange Sicht allerdings könnte die Coronakrise kulturelle Normen verändern und Frauen Vorteile verschaffen. Das hängt Tertilt zufolge damit zusammen, dass aufgrund der Krise viele Menschen ihrer Arbeit von zu Hause nachgehen und die Möglichkeiten des Homeoffice nutzen. Die Unternehmen hätten in die entsprechende Technologie investiert und sich auch von ihren Vorteilen überzeugt. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigten, dass selbst temporäre Entwicklungen wie diese anhaltende Effekte auf die Gesellschaft haben können. Deshalb rechnen die Wissenschaftler auch langfristig damit, dass die zusätzliche Flexibilität zumindest teilweise auch nach der Krise erhalten bleibt. Mütter wiederum würden von dieser neuen Flexibilität stark profitieren. 

Neue Chancen durch neue Rollenverteilung
Weitere Chancen, so eine weiteres Studienergebnis, liegen in der Verteilung der unbezahlten Kinderbetreuung: Millionen von Männer sind derzeit im Homeoffice, während ihre Frauen weiterhin ihren Jobs in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nachgehen – weil sie vor Ort unentbehrlich sind. Viele Väter übernähmen daher zum ersten Mal in ihrem Leben die Betreuung ihrer Kinder zu Hause zu fast 100 Prozent – diese neue Rollenverteilung könnte nach Tertilts Überzeugung „die Normen ändern“ - und daher eine nachhaltige Veränderung bringen.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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