Studie

ZEW hält nichts vom Preisdeckel auf Industriestrom

Staatliche Subventionen senken Anreiz zum Energiesparen und gefährden damit die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität

Von 
Walter Serif
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Die EnBW will frisches Kapital in den Stromnetzausbau stecken. © Federico Gambarini

Mannheim. Der knallharte Streit zwischen den Grünen und der FDP um das neue Heizungsgesetz beherrscht gegenwärtig die Schlagzeilen in Berlin. Aber Wirtschaftsminister Robert Habeck kämpft noch an einer anderen Front gegen die Liberalen. Finanzminister Christian Lindner lehnt nämlich Habecks Plan ab, der den Industriestrom für energieintensive Unternehmen auf sechs Cent pro Kilowattstunde begrenzen will. Lindner möchte dafür kein Geld geben, außerdem hat er kein Verständnis dafür, dass nur ausgewählte Betriebe in den Genuss von staatlichen Subventionen kommen sollen. Die Kosten würden sich bis zum Jahr 2030 auf eine Summe zwischen 25 bis 30 Milliarden Euro belaufen.

Das Mannheimer Zentrum für Wirtschaftsforschung (ZEW) und die Universität Mannheim haben gemeinsam untersucht, welche Auswirkungen eine breite Subventionierung industrieller Strompreise hätte. Das Ergebnis der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fällt vernichtend aus: Der Strompreisdeckel senkt den Anreiz zum Stromsparen, macht Innovationen weniger attraktiv und gefährdet die Transformation der deutschen Wirtschaft hin zu einer klimaneutralen Produktion.

Die aktuellen Untersuchungen würden zeigen, dass die Industrie auf steigende Strompreise mit niedrigerem Stromverbrauch reagiert. Gleichzeitig finden die Untersuchungen keinen empirischen Nachweis dafür, dass höhere Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit – gemessen an Umsätzen und Beschäftigung – geschädigt haben. „Wenn wir niedrigere Strompreise einführen, wird der Anreiz, Strom zu sparen, abgeschwächt“, sagt ZEW-Forscherin Kathrine von Graevenitz. Eine Analyse der Besonderen Ausgleichsregelung (BesAR) hat nach ihren Worten ergeben, dass Betriebe, die von der EEG-Umlage befreit wurden, weniger Strom eingespart haben als Betriebe, die nicht befreit wurden.

Wissenschaftlerin spricht Klartext

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„Wenn Deutschland CO2-neutral werden will, muss es sich fragen, ob es dann noch eine Industrie haben wird, die sehr stromintensiv ist“, sagt von Graevenitz und legt nach: „Deutschland wird auch in Zukunft nur eine begrenzte Menge an Strom selbst erzeugen können. Gleichzeitig brauchen wir überall Strom: für E-Autos, Wärmepumpen und die Elektrifizierung der Industrie.“

Energieintensive Branchen wie Glas, Papier, Chemie und Stahl machen nach Angaben der ZEW-Forscherin mehr als zwei Drittel des Gesamtverbrauchs im verarbeitenden Gewerbe aus. Interessant dabei: Diese Sektoren haben in den vergangenen Jahren bis 2017 ihren Energieverbrauch eher erhöht als reduziert – trotz Emissionshandel und EEG-Umlage, von der allerdings einige Betriebe befreit waren.

Von Graevenitz betont, dass es aus wissenschaftlicher Sicht keine Hinweise auf einen negativen Einfluss der Strompreise auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrieunternehmen gibt. Bei den meisten Betrieben liege der Energiekostenanteil am Umsatz deutlich unter fünf Prozent. Energiekosten sind demnach für die meisten Betriebe nicht der Hauptwettbewerbsfaktor. Die Forschenden betonen, dass Faktoren wie qualifizierte Fachkräfte, belastbare Infrastruktur, politische Stabilität und Zugang zum Binnenmarkt dagegen relevanter für die internationale Wettbewerbsfähigkeit seien.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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