Mannheim. In Zeiten hoher Inflation versuchen Gewerkschaften, kräftige Lohnsteigerungen durchzudrücken. Genau das ist ihnen in Deutschland gelungen. Das Problem: Die Tarifverträge wurden mit langer Laufzeit abgeschlossen. Inzwischen ist die Inflation aber wieder stark gesunken. Was hat das für Konsequenzen?
Risiko von Arbeitslosigkeit verstärkt sich
Eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hat auf diese Frage eine beunruhigende Antwort: Treffen Tarifabschlüsse aus Vor-Krisen-Zeiten mit langer Laufzeit auf eine Rezession mit niedriger Inflation, dann verstärkt sich das Risiko von Arbeitslosigkeit. Das ZEW hat untersucht, wie Lohnuntergrenzen in Spanien den Arbeitsmarkt beeinflussten, nachdem 1993 und 2009 starke Rezessionen eintraten.
„Kollektivverträge gelten auch dann, wenn sich die wirtschaftliche Lage drastisch verschlechtert und Unternehmen nicht mehr in der Lage sind, die Bedingungen zu erfüllen“, sagt ZEW-Forscherin Efi Adamopoulou. Und das hat nach ihrer Darstellung böse Folgen: „Stehen keine Alternativen wie Gehaltskürzungen oder Kurzarbeit zur Verfügung, müssen in letzter Konsequenz Angestellte entlassen werden. So können ausgehandelte Gehälter in Kollektivverträgen konjunkturelle Schocks sogar noch verstärken“, führt die Wissenschaftlerin aus.
Und was folgert sie daraus? „Unsere Untersuchung untermauert damit die Sinnhaftigkeit von Regelungen wie Kurzarbeit“, sagt Efi Adamopoulou.
Angestellte mit Gehältern knapp über der jeweiligen Lohnuntergrenze profitieren am stärksten von abgeschlossenen Gruppengehaltsverhandlungen. Kommt es allerdings zur Rezession mit niedriger Inflation und hat der Vertrag aus der Vor-Krisenzeit noch eine lange Laufzeit, steigt für eben diese Angestellten die Gefahr, entlassen zu werden. Anders sieht es aus, wenn ein Kollektivvertrag während der Rezession neu verhandelt wird.
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