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Wettbewerb Die Denkfehler des Mario Draghi

Der Wirtschaftswissenschaftler Mario Draghi
Der Wirtschaftswissenschaftler Mario Draghi war bis 2019 EZB-Präsident und kurzzeitig Regierungschef Italiens
© ANSA | Michele Maraviglia / Z81 / Picture Alliance
Ex-EZB-Chef Mario Draghi rät in seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU zu teils kontraproduktiven Maßnahmen, analysieren Tomaso Duso und Martin Peitz

Am 10. September stellte Mario Draghi seinen Bericht über die europäische Wettbewerbsfähigkeit vor. Als zentrale Hindernisse identifiziert er unzureichende Investitionen in Innovationen und in die physische Infrastruktur wie Energie- und Telekommunikationsnetze. Um diese zu überwinden, macht Draghi radikale Vorschläge, die darauf abzielen, Europas Wettbewerbsnachteile gegenüber China und den USA umzukehren. Radikale Schritte mögen nötig sein, aber die Vorschläge zur Telekommunikation sind fehlgeleitet und gefährlich. Ihre Umsetzung würde Europas Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft schwächen.

Lage der Telekommunikation gar nicht so schlecht

Robuste Telekommunikationsnetze und erschwingliche Preise sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Europas, denn es handelt sich um eine Schlüsselinfrastruktur, die von allen Privatpersonen und Unternehmen genutzt wird. Dies wird im Draghi-Bericht zu Recht anerkannt.

Bei Qualität und Abdeckung der Netze steht Europa aber gar nicht schlecht da und die Preise für Festnetz- und Mobilfunkdienste sind deutlich niedriger als in den USA. Allerdings gibt es innerhalb der EU große Unterschiede: Während Länder wie die Niederlande, Rumänien, Portugal und Spanien 2022 eine Netzabdeckung mit Hochkapazitätsnetzwerken von über 90 Prozent erreichen, liegt Deutschland mit etwa 70 Prozent unterhalb des EU-Durchschnitts, weil es beim Glasfaserausbau hinterherhinkt.

Unternehmensgröße ist nicht gleich Marktmacht

Draghi fordert, die Fusionskontrolle im Telekomsektor zu lockern. Er erwartet, dass größere Unternehmen mehr in die Netzinfrastruktur investieren. Doch Unternehmensgröße und Marktmacht werden hier vermischt. Grenzüberschreitende Fusionen können in der Tat Vorteile bringen. Allerdings braucht es dafür keine Überarbeitung der Fusionskontrolle, da die aktuell bestehenden Vorschriften internationale Zusammenschlüsse von Unternehmen nicht behindern. Hier wurde also eine Nebelkerze gezündet.

Das Problem ist nicht die Unternehmensgröße, sondern die Marktmacht. Und die zeigt sich vor allem auf nationaler Ebene. Ähnlich wie zuvor der Letta-Bericht und im Gleichklang mit den Stimmen großer Telekommunikationsunternehmen, spricht sich Draghi de facto auch für nationale Fusionen aus. Empirische Untersuchungen zeigen aber immer wieder, dass solche Fusionen im Telekomsektor zu höheren Preisen führen, ohne die Investitionen anzukurbeln. Sie sind somit ein schlechtes Rezept für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. 

Marktdefinition als Taschenspielertrick

Um Fusionen zu erleichtern, schlägt Draghi vor, den Telekommunikationsmarkt EU-weit zu definieren. Tatsächlich sind diese Märkte jedoch national oder regional strukturiert, da die Nachfrageseite nur auf inländische Angebote vor Ort zugreifen kann. Zwar haben einige große Telekommunikationsunternehmen expandiert und sind zu wichtigen Akteuren in mehreren Mitgliedstaaten geworden, doch ist der Zugang zu den nationalen Märkten begrenzt und national reguliert.

Eine EU-weite Marktdefinition würde mehr Unternehmen in den Markt einbeziehen und nationale Fusionen auf dem Papier unproblematisch erscheinen lassen. Dies würde Unternehmenszusammenschlüsse ermöglichen, die zu höheren Preisen und geringeren Investitionen führen, Haushalten und Unternehmen schaden und letztlich die Wettbewerbsposition Europas langfristig schwächen.

Mobilfunklizenz-Auktionen als Tor für Monopole?

Problematisch ist auch Draghis Vorschlag zur Änderung des Auktionsdesigns für Mobilfunklizenzen. Dies würde es einem Unternehmen erlauben, beliebig viele Frequenzen zu erwerben, solange dessen Marktanteil unter 50 Prozent liegt. Abgesehen von Umsetzungsproblemen halten wir eine solche Regelung für gefährlich, weil damit zwei Betreiber fast das gesamte angebotene Spektrum erwerben könnten. Dies sollte im Sinne Europas unbedingt vermieden werden. 

Die Europäische Kommission könnte hingegen Initiativen zur Schaffung eines stärker integrierten Marktes fördern – hier stimmen wir Draghi zu – insbesondere durch eine Harmonisierung der Frequenzvergabeverfahren. Dies würde den länderübergreifenden Wettbewerb erleichtern und Skaleneffekte schaffen. Also ja zu länderübergreifenden Effizienzgewinnen und nein zur Vergrößerung von Marktmacht. Monopolisierung ist Gift für die Wettbewerbsfähigkeit Europas.

Tomaso Duso ist Abteilungsleiter am DIW Berlin, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technische Universität Berlin und Mitglied der Monopolkommission.

Martin Peitz ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und einer der Direktoren des Mannheim Centre for Competition and Innovation (MaCCI).

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